YAMAHA WERKSTATT / ALLGEMEIN

Die FEDERUNG!

Motorradwerkstatt: Die Federung

Die generelle Funktionsweise der Motorrad Federung
Bei allen Motorrädern ist die Federung auf die spezielle Funktion und den Fahrzeugeinsatz abgestimmt, mit der Zielsetzung, Bodenunebenheiten und Schläge zu bestmöglich zu eliminieren. Durch das Absorbieren von Stößen werden beim Fahren Beeinträchtigungen vom Fahrer fern gehalten, was wesentlich zum Fahrkomfort für den Fahrer beiträgt.
Die ersten Federungssysteme wurden am Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt, um den Fahrkomfort zu erhöhen. Mit zunehmender Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge wurden auch die Federungssysteme anspruchsvoller, liefen aber lange Zeit hinter Entwicklung der Motoren hinterher.

In den letzten Jahrzehnten aber gab es auch bei der Entwicklung der Federungssysteme gewaltige technische Fortschritte – nicht zuletzt auch wegen des Technologietransfers von der Rennstrecke auf die Straße. Heute profitieren die Fahrer von Off Road- und Straßenmotorrädern gleichermaßen von diesen Entwicklungen und wissen den hohen Komfort und die exzellente Präzision der Federungssysteme zu schätzen.

Wir wollen an dieser Stelle mal etwas genauer die Funktionsweisen von Motorradfederungssystemen beleuchten, die da sind: Federn, Dämpfer und ungefederte Massen. Es geht uns aber auch darum, die Wechselwirkungen dieser Komponenten zu erklären.

 

 

Federn
Jede Feder hat eine Federrate – vielleicht eher bekannt als Härte. Diese Federrate wird ermittelt, indem man die Feder mit einer bestimmten Kraft komprimiert. Der Wert der Federrate wird üblicherweise in N/mm angegeben. Das bedeutet, dass eine Rate von 10N/mm der Kraft von 100N entspricht, die notwendig ist, um eine Feder um 10mm zu komprimieren. (Siehe Fig. 6.1) Nur zur Verdeutlichung: Die Federrate ist die gesamte Kraft einer Feder.

Manche Federn sind so ausgelegt, dass sie in ihrer Rate konstant bleiben, egal wie weit sie komprimiert werden. Hier spricht man von einer linearen Federrate. Bei anderen Federn wiederum steigt die Federrate mit zunehmender Kompression – hier nennt man die Federrate progressiv.

Hier im Bild sieht man das seitlich montierte Federbein der YAMAHA MT-03 Modelljahr 2006. Der Steigungswinkel der Federspirale ist links kleiner als rechts, was die progressive Federrate der Feder ausmacht.
Hier im Bild sieht man das seitlich montierte Federbein der YAMAHA MT-03 Modelljahr 2006. Der Steigungswinkel der Federspirale ist links kleiner als rechts, was die progressive Federrate der Feder ausmacht.

Die meisten und bekanntesten Federungssysteme sind Spiralfedern und Gasdruckfedern. Wir werden aber auch einen Blick auf die Blattfedern werfen.

Spiralfedern
Die sicherlich am meisten bei Motorradfedern verbreiteten Federn sind Stahlspiralfedern. Wie der Name schon sagt, werden hier dünne Stahlstangen zu Spiralen verarbeitet. Wenn die einzelnen Spiralen dieser Feder in gleichgroßen Winkeln ausgebildet sind, ist die Federrate linear. Das hat zur Folge, dass die Federung über den gesamten Federweg mit der gleichen Federrate arbeitet.

Es ist aber bei vielen Motorrädern wünschenswert, dass die Federung sich mit steigendem Federweg verhärtet. Bei diesen Federn ist ein Teil der einzelnen Spiral-Windungen in größeren Winkeln ausgeführt, ein anderer Teil mit kleineren. Gelangt nun ein kleinerer Impuls auf das Federungssystem, so spricht die Feder in erster Linie im Bereich der größeren Windungen an, ist der Impuls stärker und der Federweg wird größer, dann verhärtet sich die Federung, da der Bereich mit den kleineren Windungen verstärkt wirkt. (Siehe Fig. 6.2)

Gasfedern
Gasfedern gaben den Vorteil, dass sie relativ einfach im Aufbau sind, wirkungsvoll arbeiten und grundsätzlich progressiv wirken. Am einfachsten kann man sich die Wirkungsweise selbst verdeutlichen, wenn man mit dem Daumen das Ventil einer Luftpumpe verschließt und dann durch den Kolben das vorhandene Luftpolster komprimiert. Anfangs stößt der Kolben auf relativ geringen Widerstand, der aber mit zunehmendem Weg des Kolbens immer größer wird. Außerdem erwärmt sich die komprimierte Luft spürbar.

Das physikalische Gesetz nach Boyle besagt, dass sich der Druck eines Gases in einem begrenzten Raum umgekehrt proportional zu seinem Volumen verhält. Das bedeutet, dass sich der Druck eines Gases verdoppelt, wenn sein Volumen auf die Hälfte komprimiert wird und genau diese Charakteristik ist es, die der Gasdruckfeder ihren progressiven Charakter verleiht. Ein anderes Feature von Gasdruckfedern ist das Verdichtungsverhältnis – nämlich das Verhältnis des Gasvolumens bei maximaler Ausdehnung bis hin zu maximaler Kompression. Diese Charakteristik prädestiniert Gasdruckfedern für stärkere Belastungszustände. (Siehe Fig. 6.3)

Blattfedern 
Den meisten Fahrern sind Spiral- und Gasdruckfedern geläufig, aber die wenigsten kennen Blattfedern. Sie wurden auch lediglich auf experimenteller Basis bei YAMAHA Werksrennmaschinen verwendet. In den 90-er Jahren gab es YZ-Werksrennmaschinen, die mit diesem Federungssystem gearbeitet haben, das sich unterhalb des Motors befand. Das Motorrad wurde zur Erprobung und zur Gewinnung neuer Erkenntnisse bei Motocross Rennen in Japan eingesetzt.

 

YAMAHA und Öhlins ließen sich ein innovatives Hinterradfederungssystem patentieren, bei dem ein Verbund von Blattfedern in die Schwinge integriert wurde. Dabei entfiel die Notwendigkeit der Verwendung einer externen Feder. Gleichzeitig bot das System aber alle Einstellmöglichkeiten für Federvorspannung, Federrate und Sitzhöhe. (Siehe Fig. 6.5)

 

 

Dämpfer
Federn ohne Dämpfer wären für die Verwendung in einem Motorrad untauglich, denn jeder Impuls auf die Feder, der sie komprimieren würde, würde ein Ausfedern zur Folge haben, der das Motorrad unfahrbar machen würde.

Der Dämpfungsmechanismus bei einem Motorrad sorgt nun dafür, dass der Energie- Impuls aus einer Bodenunebenheit sanft absorbiert wird. Durch Umwandeln der Kräfte trägt das Dämpfersystem dazu bei, die Federungsbewegungen zu „glätten“ und Beeinträchtigungen vom Fahrer fern zu halten. Andernfalls hätte das Motorrad das Fahrverhalten eines Springbocks.

Die meisten einfach aufgebauten Dämpfer haben ein Hydrauliksystem, das in seiner einfachsten Version eine Dämpferstange mit einem Kolben hat, die sich in einem mit Öl gefüllten Zylinder bewegt. Löcher oder Ventile innerhalb des Zylinders ermöglichen es dem Öl, von einer Seite des Kolbens zur anderen zu strömen. Und genau dieser Prozess ist es, der Bodenunebenheiten ausgleicht, indem die kinetische Energie der Kolbenbewegung in Wärme umgewandelt wird, die wiederum in die Umgebungsluft abgegeben wird.

Bei modernen Dämpfersystemen ist dieser Mechanismus natürlich extrem aufwendig und komplex. Dieses System kann natürlich auch nicht in allen Bereichen wie Dämpfung bei langsamer Fahrt oder Höchstgeschwindigkeit 100%ig gut funktionieren. Dazu gibt es unterschiedliche Ventile oder auch Distanzscheiben.

Die YZF-R1SP, die limited Edition der R1 ist mit anspruchsvollen Federelementen von Öhlins und Aluminium Rädern von Marchesini ausgerüstet – das reduziert das Gewicht der ungefederten Massen.
Die YZF-R1SP, die limited Edition der R1 ist mit anspruchsvollen Federelementen von Öhlins und Aluminium Rädern von Marchesini ausgerüstet – das reduziert das Gewicht der ungefederten Massen.

Gefederte und ungefederte Massen
Die gefederten Massen sind der Teil des Motorrads, der sich oberhalb der Federung befindet, praktisch all das was sich in irgendeiner Weise „auf-und-abwärts“ bewegen lässt.

Im Umkehrschluss dazu sind die ungefederten Massen die Fahrzeugteile, die diese Bewegung nicht zulassen, im Einzelnen: Räder, Bremsanlagen, der untere Teil der Gabel und die Hinterradschwinge. Um physikalisch korrekt zu sein, zählt auch die Reibung innerhalb der Federelemente zu den ungefederten Massen, wobei der Reibungsanteil natürlich nur einen verschwindend geringen Anteil daran hat.

Grundsätzlich kann man sagen, dass man die Fahreigenschaften eines Motorrads durch Reduzierung der ungefederten Massen verbessern kann und das lässt sich einfach erklären: Beim Überfahren einer Bodenunebenheit kann die Federung bei geringeren ungefederten Massen schneller arbeiten und die Räder halten bessern Kontakt zur Fahrbahnoberfläche. Aus diesem Grund haben Rennmaschinen und auch Hochleistungssportmaschinen außerordentlich leichte Räder mit hohl gegossenen Speichen, leichte Bremszangen und ebenfalls leichte Federelemente. Außerdem verhindert die Festigkeit der Reifenflanken bei flachen Niederquerschnittsreifen das Deformieren des Reifens und überträgt den Impuls direkter an die Federungssysteme.

Obwohl niedrige ungefederte Massen bei vielen Hochleistungsmotorrädern zweifellos zu einer Verbesserung der Fahreigenschaften beitragen, geht dies oft einher mit einer gewissen Komforteinbuße für den Fahrer. Dies kann man zum Beispiel bei starkem Beschleunigen feststellen, aber man kann nicht immer alles haben.

 

Das Gegenteil sind Cruiser: Sie haben üblicher Weise größere Räder, dickere Reifen und man legt insgesamt weniger großen Wert auf die Realisierung niedriger ungefederter Massen. Die Kombination ungefederter Massen mit dicken Reifen mit hohem Profil und das weniger aggressive Fahren vermitteln dem Fahrer insgesamt mehr Komfort – auch beim Überfahren von Bodenunebenheiten.

Federelemente der FZ1 des Modelljahrs 2006 gestatten ein breites Spektrum individueller Einstellungen. Nach dem Vorbild von Valentino Rossis YZR-M1 kann die Druckstufe am linken und Zugstufe am rechten Gabelholm eingestellt werden.
Federelemente der FZ1 des Modelljahrs 2006 gestatten ein breites Spektrum individueller Einstellungen. Nach dem Vorbild von Valentino Rossis YZR-M1 kann die Druckstufe am linken und Zugstufe am rechten Gabelholm eingestellt werden.

Zusammenfassung 
Bestehend aus Federn, Dämpfern sowie gefederten und ungefederten Massen ist das Federungssystem eines Motorrades eine relativ übersichtliche Angelegenheit. Es ist das Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Komponenten, die das ganze System im Detail sehr komplex machen. Man muss sich nur den Aufwand anschauen, den ein Racing-Team betreibt, um für ein Rennen das optimale Fahrwerks-Setup zu finden!

Für den Alltagsbereich gibt es eigentlich keine ideale Abstimmung der Federung, dazu sind die Bedingungen auf den Straßen viel zu unterschiedlich. Hier gilt es vielmehr, einen möglichst optimalen Kompromiss zu finden. Die Möglichkeiten der Federungsabstimmung gestatten dem Fahrer dann allerdings sehr wohl, die Federelemente auf seinen Fahrstil, sein Gewicht und den Belastungszustand des Fahrzeugs anzupassen.

Aus diesem Grund bieten YAMAHA Motorräder auch ein breites Spektrum an Einstellmöglichkeiten – je nach Modell Zug- und Druckstufe und Federvorspannung. Umfassende Beratung dazu findet man in der Bedienungsanleitung seines Motorrads oder selbstverständlich auch bei seinem autorisierten YAMAHA Vertragshändler.