YAMAHA WERKSTATT / ALLGEMEIN
Die AERODYNAMIK
Die Aerodynamik von Motorrad und Fahrer
Die Aerodynamik beschreibt die Wechselwirkung zwischen strömenden Gasen und festen Körpern.
Jeder Körper, der sich in der Luft bewegt oder der von Luft umflossen wird, unterliegt den Prinzipien der Aerodynamik.
Motorradfahrer kennen die enormen Kräfte, mit denen sich der Fahrtwind bei hohem Tempo gegen Mensch und Maschine stemmt. Denn mit keinem anderen Fahrzeug sind die Elemente der Natur stärker spürbar als auf dem Motorrad – gewisse Unterschiede ergeben sich lediglich aus der Bauart der Maschinen. Dabei zählt die Tuchfühlung mit der Umwelt zu jenen Faktoren, die Motorradfahren zu einem faszinierenden Erlebnis machen.
Schon bei geringen Geschwindigkeiten nimmt der Luftwiderstand von Motorrad und Fahrer Einfluss auf Leistung und Stabilität der Maschine – bei höherem Tempo bestimmt er das Leistungspotenzial sogar entscheidend. Denn bei schneller Fahrt muss der größte Teil der Motorleistung allein dazu aufgewendet werden, um den Luftwiderstand zu überwinden.
In unserem Kapitel Die Aerodynamik von Motorrad und Fahrer möchten wir die Beziehung zwischen Dir, Deinem Motorrad und der Luft einmal näher betrachten. Dabei erklären wir die Wechselwirkung von Luftströmung, Geschwindigkeit, Motorleistung und Stirnfläche – Faktoren übrigens, die bei jeder Fahrt eine wichtige Rolle spielen.

Luftwiderstand: Ursache und Wirkung
Bei hohen Geschwindigkeiten muss das Motorrad gegen den Fahrtwind ankämpfen, und der nimmt mit steigendem Tempo zu. Diese Kraft wird gemeinhin als Luftwiderstand bezeichnet. Maschinen, die dem
Luftstrom eine große Stirnfläche entgegenstellen, erzeugen einen höheren Luftwiderstand als solche mit kleiner Stirnfläche. Das Verhältnis zwischen Stirnfläche und Luftwiderstand ist dabei
proportional. Das bedeutet, dass ein Motorrad mit einer Stirnfläche von 1,0 m2 einen doppelt so großen Luftwiderstand erzeugt wie eine Maschine mit nur 0,5 m2 Stirnfläche.
Das Verhältnis zwischen Stirnfläche und Luftwiderstand
Motorräder gibt es in vielen verschiedenen Ausführungen. Darunter finden wir voll verkleidete Supersportler wie die YZF-R1, aber auch hochbeinige, unverkleidete Modelle wie die MT-03. Dank ihres
schlanken Profils und der im Rennsport entwickelten Verkleidung besitzt die R1 eine wesentliche geringere Stirnfläche als die nackte MT-03. Nehmen wir den Fahrer hinzu, werden die Unterschiede
zwischen beiden Modellen in Sachen Luftwiderstand noch größer.
Die niedrige Sitzhöhe, der schmale Lenker und die weit hinten platzierten Fußrasten sorgen nämlich dafür, dass der R1-Pilot hinter der Verkleidung eine flache und nach vorn geneigte Sitzposition findet. Deshalb ist die Stirnfläche inklusive Fahrer nur unwesentlich größer als die der Maschine allein. Dagegen fällt die Stirnfläche der MT-03 wegen des breiten Lenkers und der aufrechten Sitzposition mit dem Fahrer wesentlich größer aus als ohne.
Damit wird klar, dass die Stirnfläche zu jenen Faktoren zählt, die die aerodynamische Effizienz eines Motorrades mitbestimmen. Außerdem haben wir gelernt, dass auch die Sitzposition und die Statur des Fahrers den Luftwiderstand wesentlich beeinflussen. Daneben wirken sich schließlich Faktoren wie Gepäcksysteme, Beifahrer, Bekleidung und Windschild auf die Aerodynamik aus.

Motorleistung, Geschwindigkeit und Luftwiderstand
Während die Beziehung zwischen Stirnfläche und Luftwiderstand einfach proportional ist, steigt der Luftwiderstand quadratisch zur Geschwindigkeit: Wird die Geschwindigkeit verdoppelt, nimmt der
Luftwiderstand um das Vierfache zu.
Dieser Umstand ist umso bemerkenswerter, wenn wir eine weitere Gesetzmäßigkeit in Betracht ziehen. Schauen wir uns also an, wie viel mehr an Motorleistung notwendig ist, um die Geschwindigkeit eines Motorrades zu erhöhen. Hier steigt die erforderliche Mehrleistung mit dem Faktor drei zur Geschwindigkeit. Mit anderen Worten: Um das Tempo zu verdoppeln, muss die Maschine rund das Achtfache an Leistung bereitstellen!

Um etwa die Spitzengeschwindigkeit auch nur geringfügig zu erhöhen, ist also ein enormes Leistungs-Plus erforderlich. Ein gutes Beispiel dafür liefern jene Maschinen, die in der Vergangenheit Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt haben. Mit ihrer lang gestreckten, schlanken Verkleidung und einer extrem niedrigen Stirnfläche zählen diese Maschinen zu den aerodynamisch ausgefeiltesten Zweirädern, die je gebaut wurden. Doch trotz ihrer windschlüpfigen, widerstandsarmen Karosserie war jeweils eine gigantische Mehrleistung erforderlich, um bestehende Rekordmarken auch nur geringfügig zu übertreffen.
Don Vesco zählt zu den weltweit bekanntesten Rekordjägern sowohl auf zwei als auch auf vier Rädern. Er und sein Team entwickelten in den siebziger Jahren eine Reihe von stromlinienförmigen Maschinen, die von Yamaha-Motoren angetrieben wurden.
Der Vergleich beider Rekordmaschinen zeigt, dass Vesco für die Steigerung der Höchstgeschwindigkeit um gerade einmal 80 km/h (+ 25 %) den Hubraum der Motoren um mehr als 100 %, nämlich von 700 auf 1.500 ccm erhöhen musste.

Die ideale Stromlinienform
Wir wissen bereits, dass der Luftwiderstand eines Körpers in proportionaler Beziehung zu seiner Stirnfläche steht. Daraus folgt, dass ein aerodynamisch effizientes Motorrad eine besonders niedrige
und schmale Front aufweisen muss.
Neben der kleinen Stirnfläche sind aber weitere Faktoren zu beachten, um eine gute Aerodynamik zu erzielen. Im Windkanal wird deutlich, dass ein langer, tropfenförmiger Körper den geringsten Luftwiderstand aufweist, weil ihn die Luft nahezu störungsfrei umströmt.
Abbildung 5.1 zeigt den Strömungsverlauf an einem aerodynamisch gut geformten Körper. Wir sehen, dass die tropfenförmige Front gleichmäßig umströmt wird und die Luft auch am Ende ohne Wirbelbildung wieder zusammenströmt. Derartige Strömungen werden als laminare Strömungen bezeichnet, und im Idealfall müsste jedes Motorrad einen solchen Verlauf aufweisen. Im Gegensatz dazu zeigt die Abbildung darunter den Strömungsverlauf an einem aerodynamisch schlecht geformten Körper. Seine Ecken und Kanten stören den Luftstrom, und statt einer gleichmäßigen laminaren Strömung erzeugt er eine große turbulente Zone mit vielen kleinen Luftwirbeln.

Gerne würden die Yamaha Designer ein Motorrad mit extrem geringem Luftwiderstand bauen, doch das Ergebnis würde sich kaum von den oben beschriebenen Rekordmaschinen unterscheiden. Folglich müsste der Fahrer in der Praxis alle Einschränkungen in Kauf nehmen, die sich aus dieser langen, flachen und schmalen Röhre ergeben. (siehe Abb. 5.14; Tony Foale, 2002)
Praktische Überlegungen zum Motorrad-Design
Die Yamaha Designer müssen bei der Entwicklung neuer Motorräder viele verschiedene Faktoren
berücksichtigen. Dazu zählen beispielsweise der Fahrer- und Beifahrerkomfort, die Manövrierbarkeit, die Federwege, die Gewichtsverteilung, das Tankvolumen, die Zuladung, die Zugänglichkeit des Motors
und die Wartungsfreundlichkeit. All diese Faktoren – und viele andere mehr – bestimmen letztlich die Form einer modernen Maschine.

Die Supersportler der R-Serie
Zu den wesentlichen Eigenschaften der Yamaha Supersportler vom Schlage einer YZF-R1 oder der radikal neuen
YZF-R6 zählt zweifellos ihr hohes Leistungspotenzial. Deshalb haben sich die Designer-Teams intensiv mit der aerodynamischen Formgebung der Maschinen befasst. Neben ihrer geringen Stirnfläche bauen
R1 und R6 so schmal wie möglich, während das schlanke Heck für minimale Turbulenzen sorgt. Weil auch die Sitzposition einen entscheidenden Einfluss auf die Aerodynamik nimmt, wurde das Dreieck aus
Sitzbank, Lenker und Fußrasten so gestaltet, dass auch der Pilot nur wenig Luftwiderstand erzeugt. Gleichzeitig konnte auf diese Weise eine optimierte Radlastverteilung erzielt werden.
Strömungsgünstig wirken sich auch die unter der Sitzbank verlegten Schalldämpfer der R1 sowie der ultrakurze, unter dem Motor platzierte Schalldämpfer der neuen R6 aus. Im Vergleich zu den älteren
R-Modellen mit außen montierten Schalldämpfern sorgt die neue Lösung für deutlich geringere Turbulenzen.

Die Sportmaschinen FZ Fazer und TDM
Auch im Modelljahr 2006 stehen die Yamaha Sportmaschinen für hohe Leistung, viel Komfort und eine
beispiellose Vielseitigkeit. FZ1 Fazer, TDM900/A und FZ6 Fazer ABS zeichnen sich daher nicht nur durch ihre aerodynamischen Qualitäten, sondern gleichfalls durch ihren guten Wind- und Wetterschutz
für Fahrer und Beifahrer aus.

Die Sporttourer FJR1300A und FJR1300AS
Im Segment der Sporttourer zählen luxuriöse Ausstattung und Langstreckenkomfort für Fahrer und Beifahrer. Denn der typische Tourenfahrer verbringt viele Stunden im Sattel und legt auf Reisen nicht
selten viele tausend Kilometer zurück.
Aus diesem Grund bieten die FJR1300A und die innovative FJR1300AS mit Halbautomatik im Modelljahr 2006 eine wirkungsvolle Verkleidung mit verstellbarem Windschild. Im Vergleich zur supersportlichen
R-Serie weisen die FJR-Modelle eine relativ große Stirnfläche auf, um den Fahrtwind vom Fahrer fernzuhalten. Trotzdem besitzt die Verkleidung gute aerodynamische Eigenschaften.
An den neuen FJR-Modellen kann der mittlere Bereich der Verkleidung um 30 Millimeter ausgestellt werden, um den Luftstrom unterschiedlichen Fahrerbedürfnissen anzupassen.
Leistung gegen Luftwiderstand – ein ewiges Duell!
Der Kampf des Menschen gegen den Luftwiderstand findet überall dort statt, wo Bewegung im Spiel ist. Das gilt für Helme, für Hochgeschwindigkeitszüge und – ganz besonders auch für Motorräder. Dabei
besitzen manche Maschinen eine bessere Aerodynamik als andere, aber den Kräften des Fahrtwindes wird sich auch in Zukunft kein Motorradfahrer entziehen können. Und das ist es ja auch, was den Spaß
auf zwei Rädern ausmacht!