Die Geschichte der Wild Star

Die Geschichte der Yamaha XV 1600 A Wild Star  
Schon bei ihrer Markteinführung 1999 sorgte sie für heiße Diskussionen.   
So spaltete sie die Journalistenschaft und die Fachwelt in zwei Lager.   
Die Einen sahen sie als " billige Kopie " einer Harley Davidson und betitelten  
sie als " Harley für den keinen Mann ", wobei der Kaufpreis von damals 22.000 DM  
( 11282 Euro ) nicht für ein Plastikbomber, wie es damals bei den Japanern üblich  
war, sprach. Die Anderen sahen in ihr die perfekte Neuentwicklung, die sie war   
und sprachen von einer " Metrischen Revolution ". Es wurde kontrovers diskutiert  
nur einigen konnte man sich bis heute nicht. Es stimmt schon, daß die Wild Star  
rund 16.000 DM billiger war, als eine vergleichbare Harley, aber dies sagte absolut
nichts über die Qualität aus.        
             
Schaut man aber einmal genauer hin, dann fällt auf, daß sich die japanischen  
Ingeneure und Designer ordentlich ins Zeug gelegt hatten. Statt Plastik wurde Metall
verwendet und viele Teile wurden verchromt. Die Liebe zum Detail und die Linien -  
führung waren für damalige Verhältnisse eine Sensation. So was kannte man von den 
Japanern nicht und sollte auch nie wieder angeboten werden. Bei allen Nachfolge -  
modellen setzte man wieder auf Plastik, billige Produktion und hohe Stückzahlen.  
Der Wettbewerb hatte Yamaha zurück. Trotzdem, für kurze Zeit stand Yamaha   
auf Platz 1 der " Edelcruiser ".        
             
Schon die technischen Daten schlugen ein, wie eine Bombe! Der erste Cruiser mit  
1600 ccm, verschlug der Konkorenz den Atem. Sie hatten nichts vergleichbares!  
Yamaha hatte mit ihrem " Hubraummonster " eine Tür geöffnet und einen neuen  
Run ausgelöst. In den Folgejahren wurde ein Edelcruiser nach dem anderen auf  
den Markt geschmissen, jeder Hersteller hatte nun auch dieses Segment im  
Programm und wollte das Motorrad mit dem größen Hubraum haben. Einige   
schafften es so gar, die 2300 ccm Grenze bei Motorrädern zu knacken.  
             
Trotzdem war die XV 1600 Wild Star, die Erste und für ein halbes Jahr, wurde sie  
als " Hubraumkaiser " bezeichnet. Es ist logisch, daß sie sich im Vergleich mit Harley
messen mußte und überraschte die Fachwelt. In allen Belangen war sie der Harley deutlich
überlegen. Das einzige Manko, was man feststellte, war die zu geringe Bodenfreiheit  
bei Kurvenfahrten. Harley hatte die Zeichen der Zeit verstanden und mußte schnellstens
reagieren. Aber wie? Harley schrieb " Rote Zahlen " und war kurz vor dem Aus.  
Selbst " The Spirit of Harley ", der immer wieder gepuschte Mythos, der Route 66  
Romantik, konnte den Fall von Harley nicht mehr aufhalten.    
             
Eigentlich müßten die Verantwortlichen von Harley, Yamaha dankbar sein. Mit den
neuen Investoren, die bei Harley einstiegen, war man auch offen für ganz neue Wege
in der Fertigung. Um schnell wieder im Markt, Fuß zu fassen, baute man jetzt kleine
Sporster zu erschwinglichen Preisen. Quasi, die Harley für Jedermann. Außerdem 
wurde das gesamte Segment preislich überarbeitet und angepasst. Harley wurde   
zur Massenware. Da Harley Kunden ja meistens betuchter sind und auch das nötige
Kleingeld haben, mußte noch was Besonderes her, denn nicht jeder Bankier oder  
Arzt bevorzugt einen Chopper. Außerdem brauchten die HOG´s Nachschub!  
Die " Harley Owner Groups " die Harley, weltweit installierte und die, die großen MC ´s
Zähne knirschend hin nehmen mußten, brauchten " Manpower ".    
Also bastelte man nebenbei mit namenhaften Designern an der Zukunft von Harley  
und haute mit der V - Rod einen Supercruiser raus, den die Welt noch nicht gesehen
hatte. Er passte nun so gar nicht zu den Motorrädern, die Harley bis da hin gebaut 
hatte, füllte aber eine große Lücke im Segment. Harley was wieder da!  
             
Die XV 1600 Wild Star war die Königin in der Star Reihe, die nun ein neues Flaggschiff
hatte und die Drag Star auf dem Markt unterstützte. Die Star Reihe von Yamaha  
ging immer gut und brachte immer gute Umsatzzahlen, da sie sehr beliebt war.  
Dies merkt man auch heute noch. Die Preise für Gebrauchte sind sehr hoch und stabil.
Eine Drag Star Classic bekommt man heute nicht unter 4000 Euro, eine 1100 er XVS
nicht unter 5000 und eine Wild Star ab 6500 Euro.      
             
Bei Yamaha war nicht nur eitle Sonnenschein angesagt, denn je mehr Wild Stars auf 
den Markt kamen, je mehr kleinere Mängel fielen auf, die man versuchte schnell zu beseitigen.
In kleineren Rückrufaktionen, die man in den Werkstätten durchführte, versuchte man
Mängel zu vertuschen und Teile schnell und unbürokratisch auszutauschen.  
Da Yamaha, Pionier auf dem Gebiet war, kannten sie sich logischerweise nicht mit
Vibrationen und hohen Gewichten aus. Hohe Gewichte hat man bei Plastikteilen  
nicht, deswegen war man bei Yamaha überrascht, was alles einriss und durchbrach.
In kleineren Aktionen, mußte der Auspuffhalter, der das hohe Gewicht des Auspuffs nicht
halten konnte und eingerissene Heckfender, durch die Vibrationen, nachgebessert  
und ausgetauscht werden. Beschlagene Dashgläser und zu schwache Ölpumpenzapfen
komplettierten dann noch das Nachbessersortiment, was Yamaha ne Menge, Geld kostete.
Trotzdem waren die Ausgaben nicht vergebens, denn alle Besserungen fließen in   
nachfolgenden Modelle ein und garantieren einen fehlerfreien Start.    
             
2002 hatte man endlich alle Problemteile im Griff und auch der Ruf, der Wild Star wurde
gewahrt. Eigentlich hätten jetzt die fetten Jahre für Yamaha beginnen können, aber es kam
anders. Eine Serie an Getriebeblockaden, machten Yamaha, 2003 das Leben schwer.
Es kam zu schweren Unfällen mit Verletzen und notgedrungen mußte Yamaha die 
größte Rückrufaktion der Geschichte einleiten. In den Medien wurden die Fahrgestell -
nummern der Betroffenen Motorräder verbreitet, mit der Aufforderung das Motorrad  
schnellstens zum Händler zu bringen. Wieder Millionen für Nachbesserungen.  
Angeblich war es nur eine Serie an Wellen und Zahnrädern, aus einer bestimmten   
Produktion, aber Yamaha war negativ in die Schlagzeilen gekommen und dies wog mehr.
Yamaha kann sich einen Ruf, unsichere Motorräder zu produzieren nicht leisten und 
opferte die XV 1600. Die XV 1700 / Warrior mit Einspritzung wurde gepuscht.  
             
Zum Glück wurde auch eine Verordnung erlassen, die besagte, daß keine Motorräder
ohne Einspritzanlage ab 01.01.2006 mehr neu zugelassen werden dürfen. Yamaha  
stellte den Verkauf ein und man entfernte jegliche Abbildungen und Datensätze auf
den Internetseiten und in den Katalogen. Die XV 1600 wurde weggeschwiegen und  
die Nachfolgemodelle, wie die Warrior und die Midnight Star wurden mit aller Kraft  
angepriesen.            
             
Eigentlich wäre es das für Yamaha gewesen, aber es kam anders. Die Klagen vor   
Gericht verlor Yamaha gegenüber den Unfallopfern und auch die Meldungen über  
Getriebeblockaden rissen nicht ab. Yamaha mußte eine weitere große Rückrufaktion 
starten, diesmal sollten die restlichen Seriennummern nachgebessert werden.  
Klar war auch, daß Yamaha sich sträubte und erstmal versuchte, über die Händler  
die Maschinen zurück zu rufen, aber dies langte den Ordnungsbehörden nicht.   
Man wollte sicher stellen, daß wirklich alle Fahrzeuge erfasst und nachgebessert  
werden und drohte Yamaha damit, die Betriebserlaubnis für die Yamaha Xv 1600  
Wild Star zurück zu ziehen und alle still zu legen. Dies wäre der Supergau für Yamaha
gewesen, von den Schadensersatzklagen ganz zu schweigen!    
             
Wieder mußte Yamaha die XV 1600 zurück rufen. Alle Halter wurden angeschrieben.
Gleichzeitig wurden die Behörden aktiv um auch ja, jede Wilde zu erwischen. Und  
wieder ging es wie ein Lauffeuer durch die Presse. Das behördliche Anschreiben,  
wurde sehr scharf formuliert, um auch jedem die Dringlichkeit der Angelegenheit  
deutlich zu machen. Man wurde aufgefordert, daß Fahrzeug mit sofortiger Wirkung  
stehen zu lassen ( also ein Fahrverbot wurde ausgesprochen ) und sie durfte nur noch 
mit Anhänger oder Transporter zum Händler bewegt werden. Die Vorbereitungszeit  
muß sehr kurz gewesen sein, weil nicht genug Getriebewellen und Zahnräder zur  
Verfügung standen. Schnell gab es Wartelisten und die Halter wurden ungeduldig.  
Zum Einen, weil es mitten in der Hauptsaison passierte und man nicht fahren konnte
, zum Anderen, weil im Nachsatz der behördlichen Anweisung stand, diese Aktion  
innerhalb von 4 Wochen durchführen zu lassen, weil sonst die Betriebserlaubnis  
erlischt. Schnell stellte sich heraus, daß Yamaha erstmal den amerikanischen  
Markt belieferte und nur eine geringe Menge an Wellen für Europa reservierte.  
Dies änderte man, mit zunehmender Warteliste.      
             
Anfänglich wurden alle Anfragen bei der Hotline von Yamaha European und Deutschland
beantwortet, später gab es nur noch kurze Statements, daß man sich an den   
Vertragshändler wenden solle.        
             
Genau so spektakulär wie die Markteinführung war, war auch der Abgang. Yamaha
hat sich nie für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und schweigt sie immer noch tot.
Dies ist eigentlich Schade, weil die XV 1600 Wild Star wirklich ein gutes Motorrad ist.
10 Jahre gibt es sie jetzt schon in Deutschland und viele haben die 100.000 km Marke
geknackt. Es haben sich viele Wild Star Interessengemeinschaften gebildet, die ihr auch
heute noch die Treue halten und sie hegen und pflegen. Auch wenn man Yamaha verstehen
kann, sie ist immer noch ein Teil der Yamaha Geschichte, mit der man sich auseinander
setzen muß, ob man will oder nicht.         
             
Die Wilder, wie sich die XV 1600 Fahrer selbst nennen, verstehen Yamaha nicht.   
Alle Probleme sind ausgemerzt und jeder, der sich heut zu Tage eine Wild Star kauft,
kann sicher sein, ein zuverlässiger Motorrad zu erwerben. Die Freude am Fahren,  
der Sound, das Handling, all das sind Attribute der Freiheit, die man mit einer Wild Star 
besonders gut genießen kann. Sie ist ein dankbarer Freund in allen Kurvenlagen und
schafft es spielend aus dem Drehzahlkeller heraus zu beschleunigen ohne das man
schalten muß. Jeder, der einmal eine Wild Star gefahren hat, ist von ihrem Virus infiziert
und möchte sein Leben lang, kein anderes Motorrad mehr fahren.