
Die, in Stahl gegossene Freiheit!
Der Aussage von Harald Abt ist nichts hinzuzufügen!
Vor mir verschwindet das schier unendliche Asphaltband am Horizont, unter mir verrichten die zwei mächtigen Kolben des großvolumigen V 2 ihre Arbeit in stoischer Gleichmäßigkeit.
Bereits vor etlichen Kilometern ist die Hektik des Alltags von mir gefallen und das Gefühl von Freiheit hat von mir Besitz ergriffen.
DIE METRISCHE REVOLUTION !
Ende 1998 präsentierte Yamaha das hubraumstärkste Motorrad der Firmengeschichte. Geradezu rührend bemühte sich die achtseitige Pressemitteilung zur Markteinführung das Wild Star-Konzept überwiegend technisch zu begründen. Der Harley-Twin hat 45 Grad Zylinderwinkel, der ebenfalls luftgekühlte Yamaha-Vauzwo bringt es auf 48 Grad - das sieht man doch auf den ersten Blick. Zwei untenliegende Nockenwellen, Stößelstangen, Hydrostößel - okay, das bietet Harley auch, aber bei Yamaha dient die Konstruktion dazu, eine möglichst geringe Bauhöhe des Motors zu ermöglichen. Extrem langhubige Kolben, Zahnriemen als Hinterradantrieb, zwei saumäßig geil verchromte, rechtsseitig verlegte Schalldämpfer, runden das Bild ab. Damit die Wild Star-Fahrer bei „Benzingesprächen” (welch dämliches Wort) auch etwas auf den Putz hauen können, bietet die XV 1600 von allem noch etwas mehr: mehr Zündkerzen (vier statt zwei), mehr Ventile (vier statt zwei je Zylinder), mehr Hub (113 statt 101,6 mm) und natürlich mehr Hubraum (1602 statt 1449 ccm) sowie mehr Drehmoment (134 statt 109 Nm). Leistungsmäßig liegt Yamaha mit bescheidenen 63 PS annähernd auf Harley-Niveau, Nennleistung und Drehmoment stehen bei der Wild Star dafür bei deutlich geringeren Drehzahlen an - mehr Bums aus dem Keller also.
Praktisch klappt der Kaltstart ganz hervorragend. Für die Gemischaufbereitung sorgt ein fetter konventioneller 40 er Mikuni Vergaser. Geschaltet wird mit einer
Schaltwippe. Das macht zwar etwas Geräusche, die fünf Gänge finden aber trotzdem leicht und exakt die gewünschte Position. Die Kupplung lässt sich selbst von Weichgreifern problemlos bedienen.
Satte 335 Kilogramm wiegt die mit 20 Litern Normalbenzin vollgetankte Wild Star. Das ist beim Rangieren etwas hinderlich, jenseits von 30 km/h aber nur selten spürbar. Der breite Schubkarrenlenker
und der tiefe Schwerpunkt sorgen dafür, dass sich schnell Vertrauen einstellt. In den ersten drei Gängen geht es flott voran, Stufe Vier und Fünf sind dafür recht lang übersetzt, bei Tempo 100 stehen
im letzen Gang gerade mal 2300 U/min an. Übermäßig durchzugsstark ist die Wild Star aber nicht. Jedenfalls nicht, wenn man nur den Wert 1600 ccm im Hinterkopf hat. Die 63 PS für 335 Kilogramm plus
Besatzung dürfen nicht vergessen werden. So erklärt sich auch, dass der Verbrauch auch mit sehr viel gutem Willen nicht unter fünf Liter zu drücken ist. Dynamischer Landstraßenbetrieb kostet zwischen
sechs und sieben Liter, macht aber irre Spass. Die in den Tacho integrierte Benzinuhr zeigt den Füllstand jederzeit korrekt an, die digital anzeigende Uhr arbeitet selbstverständlich
einwandfrei.
Die aufrechte Sitzposition sorgt für ein angenehmes, gemütliches Fahrvergnügen, daß nie enden sollte. Der Sound ist ein Genuss: Kerniger satter Sound, leicht unrunder Leerlauf - das klingt allemal
besser als eine serienmäßige Deutschland-Harley. Ein paar deftige und dabei durchaus angenehme Vibrationen gibt's auch serienmäßig - das haben die Ingenieure fein hingekriegt.
Die Fahrwerkstechniker erledigten ihre Hausaufgaben ebenfalls tadellos. Telegabel und Zentralfederbein sind für Cruiserverhältnisse straff abgestimmt und halten das Dickschiff jederzeit satt auf der
Bahn. Die Doppelscheibenbremse im Vorderrad benötigt zwar eine kräftig zupackende Rechte, hat dann aber keine Schwierigkeiten, die Bewegungsenergie innerhalb kürzester Zeit in Wärmeenergie
umzuwandeln. Die hintere Soloscheibe unterstützt dabei recht wirksam. Muss sie auch, lasten doch 53 Prozent der Masse auf der Hinterhand.
Die Yamaha XV 1600 Wild Star kostet ab Modelljahr 2001 inklusive Nebenkosten 22.500 Mark. Das sind 2500 Mark mehr als bei der Markt-einführung Anfang 1999. Für 25.000 Mark trägt der Cruiser den
Namenszusatz Silverado und ist mit Windschutzscheibe, Lederpacktaschen und Sissybar ausgestattet. Die Wild Star ist kein Blender und der Harley technisch und preislich überlegen. Was bei ihr nach
Metall aussieht, ist auch aus Metall. Die Verarbeitung fällt tadellos aus, zwei Jahre Garantie sind ein Wort. Die Yamaha kann fast alles besser als eine vergleichbare Harley und sie ist ihr Geld
wert. Die Wild Star hat nur ein Problem: Sie ist zu gut. Vielleicht interessieren sich Cruiserfahrer genauso wenig für Perfektion wie sie sich für Schräglagenfreiheit interessieren.
Bigger is better - dies gilt vor allem für die Cruiser-Fraktion. Mit 1,6 Litern Hubraum schoss die Yamaha Wild Star immerhin für zwei Jahre den Vogel am Hubraumhimmel ab. Erst in der Saison 2001 setzte Honda mit der monströsen VTX 1800 den neuen Zenit. Dabei braucht Yamaha´s XV 1600 Wild Star keineswegs Minderwertigkeitskomplexe zu bekommen: Ihre Ausstrahlung ist mindestens genauso gewaltig.
Markteinführung in Amerika
Vergleich Harley Davidson vs Wild Star
Verkaufsflyer
YAMAHA XV 1600 WILDSTAR MOTOR
Hubraum ist ja bekanntlich durch nichts zu ersetzen - außer durch mehr Hubraum. Yamaha krönte seine Star-Baureihe deshalb mit einer 1,6 Liter-Variante. Das Hubvolumen der XV 1600 Wild Star kommt auf exakt 1602 Kubikzentimeter. Jeweils 801 Kubikzentimeter entfallen demnach auf jeden der beiden Fahrtwind gekühlten Zylinder; sie stehen im ungewöhnlichen Winkel von 48 Grad zueinander. Die Kurbelwelle rotiert quer zur Fahrtrichtung, die zwei unten liegenden Nockenwellen treiben die jeweils vier Ventile über Hydrostößel, Stoßstangen und Kipphebel an – eine auch optisch eindrucksvolle, weil stark verchromte Konstruktion. Man kann auch sagen: Ein Hammer von Motor. Sagenhafte 113 Millimeter legen die Kolben auf jedem Weg zurück und stempeln das völlig neu entwickelte Triebwerk zu einem echten Langhuber.
Die Maximalleistung von 46 kW/63 PS fällt demzufolge bei höchst moderaten 4000 Kurbelwellenumdrehungen an; der Wert für das maximale Drehmoment erreicht seinen Gipfel von 134 Nm bereits bei nur 2250 Touren. Damit liegt das Drehmoment der Wild Star in praktisch jedem Drehzahlbereich höher als der Maximalwert des aktuellen, mit 1449 Kubikzentimetern ja auch nicht gerade kleinen Twin Cam-Motors von Harley-Davidson. Daraus ergibt sich im Falle der Yamaha eine Leistungscharakteristik, die an einen Schiffsdiesel erinnert. Selbst aus niedrigsten Drehzahlen zieht der Zweizylinder mächtig durch. Schalten ist weitgehend überflüssig – was im Grunde schade ist, weil das Fünfganggetriebe erstens sehr präzise funktioniert und dank der Schaltwippe auch leicht bedienbar ist. Die Ausleger der Wippe werden von auf großem Fuße lebenden Männern allerdings als zu eng beieinander liegend empfunden.
Im praktischen Fahrbetrieb tuckert der Motor unaufgeregt vor sich hin. Das hat Auswirkungen auf den Treibstoffkonsum: Zwischen 5,7 und 6,5 Liter Normal pro 100 Kilometer sind zwar angesichts der zumeist sehr moderaten gefahrenen Geschwindigkeiten absolut gesehen nicht wenig, aber in Relation zum gewaltigen Hubraum nun wirklich nicht viel. Ein Dauertempo um 130 km/h will mit rund acht Litern allerdings teuer bezahlt werden.
Eine sehr praktische und optisch zurückhaltende Sache ist der Zahnriemenantrieb des Hinterrades: Er verursacht keinerlei Lastwechselreaktionen und ist so gut wie wartungsfrei. Eine in jeder Hinsicht saubere Lösung. Anerkennung gilt den Akustik-Ingenieuren von Yamaha: Trotz Einhaltung sämtlicher Geräusch-Grenzwerte hört sich der Auspuffsound gut an – den beiden langen Endrohren entweicht ein sonores Brabbeln.
Die Technik der XV 1600 Wild Star
Die Stoßstange als verlängerter Arm untenliegender Nockenwellen ist seit Menschengedenken ein Fall für Technik-Historiker und Harley-Fahrer. Ist? War - seit Yahama die Wild Star lancierte. Deren bewußt nostalgisch angehauchtes Layout führt geradewegs zur Philosophie dieser Maschine: »Emotional spirit« - eine Ausstrahlung, die Gefühle weckt - soll sie verkörpern. Dazu braucht es nach Ansicht von Projektleiter Mason Hashimoto einen Motor mit Leistungsbereitschaft bei niedrigsten Drehzahlen. Dazu erhielt der 1600er eine gewaltige Kurbelwelle, deren Trägheitsmoment bestens geeignet ist, dem Motor lässig über die Pausen zwischen den Verbrennungstakten zu helfen. Bei einem Hub von 113 Millimetern bieten die Hubzapfen den angreifenden Pleueln obendrein so viel Hebelarm, daß selbst laue Lüftchen im Brennraum in stattliches Drehmoment umgesetzt werden.Daß der Wild Star-Motor unter Aufbietung von vier Ventilen pro Zylinder gerade einmal 40 PS pro Liter Hubraum erzeugt, spricht für äußerst moderate Ventilerhebungskurven. So sind selbst mit Hydrostößeln, ellenlangen Stoßstangen und Kipphebeln, wie sie der Yamaha-V2 aufweist, keine Unregelmäßigkeiten in der Ventilsteuerung zu erwarten, zumal die Nenndrehzahl mit 4000/min ebenfalls sehr niedrig angesiedelt ist. Apropos niedrig: Der Griff zur untenliegen Nockenwelle spart Bauhöhe, die dem Tankvolumen zugute kommt.Nicht gespart wurde an der Baulänge des Triebwerksblocks. Ein dem Schaltgetriebe nachgeordneter Zahnkettentrieb rückt die Abtriebswelle nach hinten und senkt deren Drehzahl. So konnte die Antriebsscheibe des finalen Zahnriemens materialschonend groß gewählt und dicht an den Schwingendrehpunkt gerückt werden.
YAMAHA XV 1600 WILD STAR FAHRWERK
Rückgrat der kolossal wirkenden Wild Star ist ein Doppelschleifenrahmen aus Rundstahl. Er sorgt in Verbindung mit dem langen Nachlauf des Vorderrades für Ruhe auch bei Höchstgeschwindigkeit – die XV 1600 schwingt sich zu immerhin 180 km/h auf. In der Praxis ist man freilich weitaus langsamer unterwegs, denn die gesamte Auslegung dieses 335 Kilogramm wiegenden Dickschiffs animiert zum gelassenen cruisen. Auf gut asphaltierten Straßen mit nicht allzu engen Kurven ist die Wild Star sehr angenehm zu fahren und erstaunlicherweise macht sie selbst auf drittklassigen Landstraßen noch eine gute Figur: Die Federung des Hinterrades ist trotz des mit 110 Millimetern allenfalls durchschnittlichen Ferderweges für Cruiser-Verhältnisse ausgesprochen komfortabel geraten.
Werden kurvige Nebenstraßen wellig, findet der Fahrspaß allerdings schnell sein Ende: Die Fuhre wankt und schaukelt dann und signalisiert deutlich, dass solche Fahrt eigentlich unter ihrer Würde ist. Das hintere Federbein ist unsichtbar liegend hinter dem Motor „versteckt“ und arbeitet mithilfe eines Hebelsystems. Die Radführung besorgt eine Dreiecksschwinge aus Stahlprofilen; optisch erscheint das „Wild Star“-Heck ungefedert. Die vordere Telegabel weist 43 Millimeter Standrohr-Durchmesser auf und macht ihre Sache untadelig.
Ein gewisses Problem stellt die geringe Schräglagenfreiheit der Wild Star dar. Die bei Bodenkontakt hochklappenden Trittbretter sind selbst bei zurückhaltender Fahrweise verhältnismäßig häufig in Bewegung. In Rechtskurven setzt bei stärkerer Schräglage auch der Rahmen auf, weshalb man das Kurventempo sorgsam dosieren sollte. Oder man scheißt drauf und sagt sich: Kurvenschreddeln ist angesagt!
Die Bremsanlage besteht aus einer Doppelscheibenbremse vorne und einer hinteren Einzelscheibe. Sie ist ausreichend dimensioniert, so dass man sich als Fahrer stets auf der sicheren Seite fühlt. Die Vorderbremse ist gut dosierbar und erfordert auch kein allzu großen Handkräfte; die Hinterradbremse blockiert beim Tritt auf das breite Bremspedal allerdings schnell. Dabei kann das Heck rasch wegschmieren.



Technische Daten
Motor: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, Bohrung x Hub 95 x 113 mm, Hubraum 1602 cm³, Gleichdruckvergaser, keine Abgasreinigung, Fünfganggetriebe.Nennleistung 46 kW (63 PS) bei 4000/minMax. Drehmoment 134 Nm (13,7 kpm) bei 230/minFahrwerk: Doppelschleifenrahmen, Zentralfederbein, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 298 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 320 mm, Radstand 1685 mm, Lenkkopfwinkel 58 Grad, Nachlauf 142 mm, Federweg v/h 140/110 mm, Reifen 130/90 H 16; 150/80 H 16.Maße und Gewichte: Sitzhöhe* 720 mm, Gewicht vollgetankt* 335 kg, Zuladung* 193 kg, Tankinhalt 20 Liter.

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